Autismus

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Der Zürcher Psychiater Eugen Bleuler beschrieb 1911 den Autismus als Zustand der extremen Selbstbezogenheit. Das Wort „Autismus“ wurde aus dem griechischen Wort „Autos“ („Selbst“) abgeleitet. Die Kinderpsychiater Leo Kanner aus den USA und Hans Asperger aus Österreich bezeichneten 1943/1944 unabhängig voneinander ähnliche Symptome ebenfalls als „autistisch“. Gewisse Spektren des Autismus werden denn auch Kanner-Syndrom und Asperger-Syndrom genannt. Die Ursachen des Autismus sind bis heute nicht geklärt.


Diagnose und Ursachen

Die Diagnose „Autismus“ muss durch Fachpersonen vorgenommen werden. Dabei sind sie auf die Unterstützung der Eltern angewiesen. Diese können ihnen die Entwicklung des Kindes und sein aktuelles Verhalten detailliert schildern. Für eine strukturierte Untersuchung stehen autismusspezifische Fragebögen und Beobachtungsskalen zur Verfügung. Gemäss offizieller internationaler Klassifikation ICD-10 und DSM IV müssen Auffälligkeiten in drei Bereichen vorhanden sein: (a) Sprachentwicklung (verbal und nonverbal), (b) soziale Interaktion (z.B. Besonderheiten im Blickkontakt, Mimik und Gestik) und (c) besondere Interessen und Aktivitäten (aufgrund einer auffälligen Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitung). Eine zuverlässige Diagnose ist meist mit 2.5 - 3 Jahren möglich. Einen genetischen Test gibt es nicht.

Die Ursachen von Autismus sind bis heute umstritten. Generell wird vermutet, dass genetische und wahrscheinlich auch biologische Einflüsse vor, während und nach der Geburt die Entwicklung des Gehirns beeinträchtigen und schliesslich die autistische Störung auslösen. Über die konkreten Vorgänge im Gehirn ist sich die Wissenschaft bis heute uneinig.

 

Charakteristika & Entwicklung

Autismus ist keine geistige Behinderung. Es gibt aber Menschen mit Autismus, die zusätzlich von einer geistigen Behinderung betroffen sind (ca. 70%).

Autismus teilt sich auf in unterschiedliche Spektren:

  • Kanner-Autismus (frühkindlicher Autismus): Die Symptome sind vor dem vollendeten dritten Lebensjahr erkennbar.
  • High-Functioning Autismus: Die Kinder zeigen autistische Symtpome, erreichen aber bei üblichen Intelligenztests (IQ-Test) durchschnittliche Ergebnisse.
  • Asperger-Syndrom: Die sprachliche und soziale Einschränkung ist wenig ausgeprägt. Die Betroffenen können ihren Alltag in der Regel selbständig bewältigen.
  • Atypischer Autismus: Vereinzelte und schwach auftretende Symptome.
  • Late-onset Autismus (desintegrative Störung des Kindesalters): Hier treten die Symptome erst nach ca. 2 1/2 Jahren auf. Das Kind verliert bei einem schweren Verlauf des Syndroms bereits erworbene Fähigkeiten. Früher war dieses Spektrum unter dem Namen Heller-Syndrom bekannt.

Fehlende Bereitschaft für Blick- und Körperkontakte, das Überhören des eigenen Namens, wenig Interesse am Spielen können im ersten Lebensjahr auf Autismus hindeuten. Später kommt eine mangelhafte oder stark verzögerte Sprachentwicklung hinzu, wie auch die Verweigerung, Bilderbücher anzuschauen, Geschichten zu hören, auf interessante Gegenstände zu weisen oder Alltagshandlungen nachzuahmen. Autistische Kinder telefonieren und kommunizieren kaum, spielen nicht mit anderen Kindern, beschäftigen sich in stereotyper und repetitiver Art mit Gegenständen und sind fasziniert von sich drehenden Objekten. Nicht selten entwickeln sie eine geradezu obsessive Leidenschaft für ein bestimmtes Thema.

Menschen mit Autismus haben Mühe zu erkennen, was in einer Gruppe oder in einem anderen Menschen vor sich geht. Sie zeigen auch häufig eine Überempfindlichkeit gegenüber Aussenreizen oder reagieren verängstigt auf unvorhergesehene Ereignisse. Die Tendenz zum Rückzug und der Kontaktverweigerung kann aber auch in ihr Gegenteil umschlagen. Die Kinder müssen immer und überall dabei sein, reden ununterbrochen, laufen ohne Gefahrenbewusstsein von Zuhause weg oder lassen sich hemmungslos auf fremde Personen ein.

Bei jedem betroffenen Menschen äussert sich Autismus unterschiedlich. Es gibt Betroffene, die ihr Leben lang auf intensive Betreuung angewiesen bleiben, während andere im Erwachsenenalter ein selbständiges Leben führen. Nicht selten gibt es Ausnahmebegabungen. Die fehlende Kommunikationsbereitschaft wird mit einer aussergewöhnlich fokussierten Konzentrationsfähigkeit kompensiert. Deshalb sind in der Informatikbranche oft SpezialistInnen mit Autismus beschäftigt. Diese Kommunikationstechnologie kommt den Bedürfnissen von Menschen mit Autismus entgegen.

In weltweit vernetzten Internetforen, Blogs, Chaträumen, Internetmagazinen, kämpfen Menschen mit Autismus für ihre Rechte und die Entstigmatisierung ihres Syndroms.

 

Therapien und medizinische Vorsorge

Autismus ist nicht heilbar. Menschen mit Autismus verfügen aber, je nach Spektrum, über grosse Entwicklungspotentiale. Die Entwicklung hängt von der Persönlichkeit der Betroffenen und von der Förderung durch ein offen und geduldig agierendes Umfeld ab. Es wird empfohlen, bei ersten Anzeichen von Symptomen mit Stütz- und Fördertherapien zu beginnen. Musik-, Mal-, Bewegungs- und Ergotherapien sowie Logopädie werden empfohlen. Es gibt auch eigens für Menschen mit Autismus entwickelte Therapieformen. Sie stützen in erster Linie die Kommunikationsfähigkeit und bedienen sich alternativer Kommunikationsformen.

  • „ABA“ und „TEACCH“ fussen auf verhaltenstherapeutischen Prinzipien.
  • „RDI“, „Mifne“ und „Floor Time“ haben einen spielerischen Ansatz.
  • Die „fc – facilitated communication“ ist eine Methode, die Menschen hilft, die sich verbal nicht mitteilen können.

Wichtig bei allen Therapieformen ist, dass sie auf klaren, regelmässig ablaufenden und überschaubaren Strukturen aufgebaut sind. Hörgeräte und spezielle Irlen-Brillen können bei visuellen und akustischen Wahrnehmungsschwierigkeiten unterstützend wirken.
 

Statistik

In der Schweiz weisen ungefähr 0.7% aller Kinder eine Beeinträchtigung des autistischen Spektrums auf. Bei einem Drittel handelt es sich um den klassischen, frühkindlichen Autismus, bei zwei Drittel geht es um andere Formen des autistischen Spektrums. Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen.

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